Samstag, 3. Januar 2015

Wie würden Sie reagieren?

Es geht wohl nicht nur mir, sondern vielen Kollegen so. Irgendwann kommt in beinahe jedem Interview die Frage: "Wollten Sie schon immer Autorin werden?" Und in 99,9 % der Fällen antworten die Befragten mit "Ja!". Was soll man auch anderes sagen? Etwa - "Nein, ich schreibe nur, weil ich nichts anderes kann" oder "Eigentlich wollte ich immer Buchhalterin werden, aber ich kann so schlecht mit Zahlen"? Wie es anderen erging weiß ich nicht, aber ich wollte tatsächlich schon immer Bücher schreiben, wovon meine Familie ein Lied singen kann, da ich seit frühester Kindheit in jeder freien Minute Geschichten erfand und aufschrieb. Bis heute ist diese Leidenschaft geblieben und manchmal kann ich nicht sagen, was ich lieber tue: die Geschichten, Figuren und Handlungsstränge erfinden oder sie letztendlich zu formulieren und in Worte zu fassen. In meine eigenen Worte zu fassen, wohlgemerkt. Nicht in die eines anderen, denn die Freude am schreiben ist für mich auch die Freude am fabulieren und formulieren. Ich habe Glück gehabt, das Schreiben wurde zu meinem Beruf. Heute schreibe ich nicht mehr nur aus Spaß, sondern weil ich damit meinen Lebensunterhalt bestreite. Dafür bin ich unglaublich dankbar - dem lieben Gott, der mir das Talent schenkte, meinen Eltern, die mich schreiben ließen, meinen Schwestern, die meine ersten Geschichten lasen und kommentierten und heute meinen vielen, vielen Leserinnen und Lesern, die meine Bücher lieben und mögen. Jedes Buch ist eine Herausforderung, ein Wagnis, eine Herzensangelegenheit. Die Bücher sind meine Kinder - jedes für sich über Monate entstanden, gewachsen, gereift. Einmal geboren habe ich mit ihnen gerungen, an ihnen gezweifelt, aber ich war und bin auf jedes Einzelne sehr stolz. Sie sind einzigartig für mich, jedes auf seine Art.
Haben Sie ein Kind? Oder mehrere? Ja? Dann kennen Sie das Gefühl, stolz auf etwas selbst Erschaffenes zu sein, selbst, wenn es nicht wunderschön, umwerfend intelligent oder allgemein beliebt ist. Vielleicht ist Ihr Kind schwierig, dick oder hässlich und es gibt Leute, die über Ihr Kind lästern, sich lustig machen, es sogar mobben. Was tun Sie dann? Wenn Ihr Kind noch klein ist, dann werden Sie wahrscheinlich losziehen und es verteidigen, mit den Eltern der Klassenkameraden sprechen, die gemein zu ihm sind. Sie gehen für Ihr Kind auf die Barrikaden und es tut Ihnen in tiefster Seele weh, wenn jemand eine Lüge über Ihr Kind in die Welt setzt. Stellen Sie sich einmal vor, es gäbe eine Webseite, auf der jeder - versteckt hinter einem falschen Namen - über Ihr Kind urteilen könnte und ihm Sterne geben könnte. Wie stolz wären Sie über 5-Sterne-Beurteilungen! Aber wie würden Sie sich fühlen, wenn es 1- und 2-Sterne-Beurteilungen gäbe in denen Dinge stünden wie: Das Kind von XY sieht aus wie Herr AB. Naja, seine Mutter kennt ja AB scheinbar, wahrscheinlich ist es von ihm. Wie würden Sie reagieren? Ich bin sicher, Sie würden nicht einfach die Schultern zucken. Nein, Sie würden wahrscheinlich herausfinden wollen, wer derjenige ist, der so eine Behauptung in die Welt stellt. Und wenn Sie wüssten, wer das ist, dann würden Sie womöglich sogar juristisch gegen diesen Verleumder vorgehen.
Wenn ich Rezensionen lese, in denen eine "Lydia" (http://www.amazon.de/gp/pdp/profile/A3R3E99K6S36SF/ref=cm_cr_pr_pdp)  oder ein "Bücherwurm99" behaupten, ich hätte bei einem anderen Autor abgeschrieben, weil ich ihn "scheinbar" kenne, dann werde ich sauer. Es gibt sicherlich nicht nur ein einziges Buch auf dieser Welt, auf der zB die Protagonistin Flitterwochen absagt und ganz sicher gibt es in zig Büchern Ähnlichkeiten mit anderen. Zu unterstellen, dass die Autoren gegenseitig voneinander abschreiben ist hanebüchen! Verteidigen kann ich mich nicht, so wie Sie es bei Ihrem Kind können. Sobald ich einen Kommentar kommentiere heißt es sofort: "jetzt sei doch nicht so empfindlich" oder "die Neuhaus verkraftet keine Kritik". So etwas ist in meinen Augen aber keine Kritik sondern eine bösartige Unterstellung. Ich kann mich nicht wehren. Ich kann nur aufhören, Rezensionen zu lesen. Wie schade.